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Doch gerade diese Gabe entfaltete an der Front in den Festtagen eine ungeahnte subversive Kraft - als Symbol, dass die christlichen Europäer über Grenzen und Nationen einte. "We not shoot, you not shoot! " Bei Fleurbaix zum Beispiel, einem Dorf fünf Kilometer südlich von Armentières im Pas-de-Calais. Die Lichter, die britische Soldaten dort an Heiligabend drüben in den deutschen Stellungen wahrnahmen, stammten ausnahmsweise nicht von Mündungsfeuer - die deutschen Landser hatten die geschmückten Tannenbäume auf die Brustwehren gestellt. Und dann bewegten sich die lichterglänzenden Bäumchen langsam auf die britischen Linien zu, als Friedenszeichen vor sich hergetragen von den Gegnern, die in sächsisch gefärbtem Englisch laut ihre friedlichen Absichten bekundeten. Zögernd kamen ihnen die ersten Briten entgegen; man gab sich die Hände, rauchte gemeinsam, zeigte sich gegenseitig Fotos der Lieben zu Hause. Der Mini-Frieden von Fleurbaix war beileibe kein Einzelfall in der kalten, sternenklaren Heiligen Nacht 1914.
Ardennenoffensive als Strohhalm Goebbels verbreitet in seiner Ansprache Optimismus und weist auf die Ardennenoffensive hin - der letzte Großangriff, den die Deutschen am 16. Dezember 1944 gestartet haben. Seine rhetorische Frage lautet: "Welches deutsche Herz wollte nicht vor Stolz in der Christenheit höherschlagen, wenn ich hier unserer Soldaten gedenke, die nun seit über einer Woche im Westen wieder in der Offensive stehen? " Luftangriffe an Heiligabend Dabei ist der Krieg längst zurück in dem Land, von dem er ausgegangen ist. "Weihnachten 44 waren hier mehrere starke Luftangriffe, die ich allesamt in einem wackeligen Keller überstanden habe", berichtet eine Augenzeugin aus Bonn. Auch in Köln heulen am 24. Dezember 1944 die Sirenen. Die amtliche Statistik verzeichnet allein zwischen 18. 15 Uhr und 19. 25 Uhr den Abwurf von 490 Sprengbomben. Widerstandskämpfer in Gestapo-Haft In Berlin erlebt Pfarrer Dietrich Bonhoeffer den Weihnachtsabend 1944 im Gestapo -Kellergefängnis. Er weiß: Adolf Hitler wird ihn wohl hinrichten lassen als Vergeltung für das Attentat vom 20. Juli 1944, in das Bonhoeffer eingeweiht war.
Müssen dabei in der Nacht schießen. Hoffentlich beschützt mich der liebe Gott, das mir kein Leid geschieht. Bin Gott sei Dank noch gesund und hoffe es auch von Euch. " Der genaue Standort, an dem das Foto aufgenommen wurde, lässt sich nicht mehr genau verorten. Aus einer Inschrift am Fuße des hölzernen Bergmannes mit den zwei Lichtern weiß man, dass Max Günther seit 1916 in Flandern war, wo im Herbst 1917 die irrsinnige dritte Flandernschlacht tobte. Eine Offensive der Engländer, die vom 31. Juli 1917 – 06. November 1917 dauerte. Die Bilanz: Die Alliierten hatten den Verlust von 325. 000, die Deutschen von etwa 260. 000 Soldaten zu beklagen. Max Günther überlebte, brachte den Bergmann von Gertrud wieder mit nach Hause ins Erzgebirge. Krieg, Tod, Elend, Hunger, Kälte. Vor nur 100 Jahren war Weihnachten kein Fest des Konsums. Es ging an vielen Orten um das nackte Überleben. Man half sich gegenseitig in der Not, brauchte die Familie, Freunde, Kameradschaft. Wir sollten öfter daran zurückdenken, in uns gehen und uns darüber bewusst werden, dass es wichtigere Dinge gibt, als Pokémons zu haschen, das neueste Smartphone zu besitzen oder dem neuen X-Box-Game Gertruds Bergmann konnte sich Max Günther bis 1939 in Friedenszeiten freuen, erlebte den 2.
Ab 1939 wurde die Anstalt in das Programm der Aktion T4 einbezogen (mit diesem Kürzel waren die Massenmorde an psychisch Kranken und Behinderten gemeint, auch "Euthanasie" genannt). Die Patienten wurden jedoch nicht in Kortau getötet, sondern in psychiatrische Anstalten in Sachsen und Brandenburg gebracht. In Kortau kam es vermutlich aber zu Fällen von "wilder Euthanasie": die Kranken wurden durch Arzneimittel getötet, damit es aussah, als seien sie eines natürlichen Todes gestorben. Rund 100 geistig Behinderte wurden an das sogenannte Euthanasienkommando "Lange" im Lager Soldau überwiesen. 500 Kranke "verschwanden" im Januar 1945 bei der Evakuierung und Flucht vor der heranrückenden Front. Als die Soldaten der Roten Armee in der Nacht vom 21. auf den 22. Januar in die Vorstadt von Allenstein einmarschierten, brachten sie alle um, die sich noch auf dem Krankenhausgelände befanden: die Insassen des Kriegslazaretts, Patienten, medizinisches Personal und Flüchtlinge, die sich hierher gerettet hatten (vor allem Frauen und Kinder).
Das historische Königsberg mit seiner jahrhundertealten preußischen Kultur ist ausgelöscht. Dom, Hohenzollernschloss, Universität, Kirchen, die klassizistischen Gebäude und die alten Speicher am Hafen sind nach dem Flammenmeer nur noch ausgebrannte Ruinen. Die Zahl der Toten wird auf rund 4500 geschätzt, an die 200. 000 Königsberger sind obdachlos. Ich lebe damals mit meiner Mutter, einer Schauspielerin, im Waldvorort Metgethen, der von dem Inferno verschont bleibt. Am Morgen nach der Schreckensnacht steht mein Großvater auf dem Hof vor dem Haus. Verdreckt und schwarz im Gesicht wie ein Schornsteinfeger. Neben ihm ein Handwagen mit Koffern. "Das ist alles, was ich noch retten konnte", sagt der erschöpfte Mann und fällt seiner Tochter weinend in die Arme. Das Familienhaus auf dem Hintertragheim im Zentrum der Stadt ist von einer Bombe getroffen worden und ausgebrannt. Den Handwagen kenne ich gut. Auf ihm habe ich mit dem Großvater schon manche Spazierfahrt gemacht. "Sturm auf das faschistische Räubernest" Hinter diesem "Terrorgroßangriff der britischen Luftgangster" stecke das "nackte Verlangen nach Mord", schäumt die "Königsberger Allgemeine Zeitung" in einer Notstandsausgabe.
Und längst nicht überall an der Front längs durch Europa machte das Morden am Heiligen Abend 1914 Pause. Mit der ersten Bombe auf England, die der deutsche Oberleutnant Friedrich von Arnauld de la Perrière am 24. Dezember 1914 in den Garten eines Pfarrhauses in Dover warf, erreichte der Krieg an Weihnachten sogar eine ganz neue Dimension, deren Tragweite erst sehr viel später deutlich wurde. Dennoch steckt in diesen Fußnoten der großen Katastrophenerzählung des 20. Jahrhunderts namens Erster Weltkrieg bis heute eine Botschaft von ungeheurer Symbolkraft: Wenn die Menschen es wollen, hört der Krieg auf - sofort.