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… Währenddessen sind wir selbst gegenüber den kurzfristig stattgefundenen Veränderungen blind. … Der Gedanke der Unveränderlichkeit, so Elias, sei nur ein Ergebnis unserer Art zu denken und nichts anderes. Mit dieser Entwicklung geht die Auflösung der klassischen patriarchischen Familienhierarchie einher, in die unfehlbare Autorität des Vaters verloren geht, so Verhaeghe. Die Auswirkungen dieser Entwicklung in der Gesellschaft sind vielschichtig, wie in Liebe in Zeiten der Einsamkeit zu lesen ist. s. 144: Der Intellektuelle von heute ist ein Hamlet, der immer zögert, ununterbrochen das Für und Wider abwägt und jede Wahl damit letztlich neutralisiert. Hingegen steigen ihm diejenigen, die nicht mit wissen und Intelligenz belastet sind, auf die Füße. s. 142: Kein Vater vermag diese Funktion des ungeteilten Garanten gegenüber Begehren und Genießen zu verkörpern, denn er selbst ist auch gespalten, zumindest zwischen seinem eigenen Vater und seiner eigenen Mutter. Äußerstenfalls kann er diese Funktion auf sich nehmen, denn er fungiert nur als Schaltstelle, als halbdurchlässige Membran, durch die die kollektive Überzeugung hindurch sickert.
Liebe in Zeiten der Einsamkeit erschien im Jahr 1998. Das Buch des Psychoanalytikers Paul Verhaeghe enthält drei Essays über Trieb, Sexualität und das Verhältnis zwischen Mann und Frau. Das Buch beinhaltet 3 Essays, die sich mit zwischenmenschlichen Beziehungen in Zeiten der Jahrtausendwende auseinandersetzt: Die unmögliche Paarbeziehung Väter auf der Flucht Der Trieb Verhaeghe macht von Anfang an deutlich, dass die Vorstellung davon, wie Beziehungen gelebt und verstanden werden, überaus wandelbar sind. Liebe, Sex und Erotik müssen immer im Kontext der Zeitgeschichte verstanden werden. Wir begehren das, was wir nicht wollen, wir wünschen uns allersehnlichst das, was wir nicht begehren. s. 36 Die unterschiedlichen Bedürfnisse zwischen Mann und Frau sind das zentrale Thema des ersten Essays von Paul Verhaeghe. Trotz dieser grundsätzlichen Uneinigkeit, ist die Anziehung unwiderstehlich – wenn sie auch nicht selten zu Missverständnissen führt. s. 37: Zärtlichkeit behindert die Sinnlichkeit und vice versa.
Infolgedessen ist diese Überzeugung durch die Allgemeinheit garantiert: Es ist wahr, weil alle daran glauben. Was daraus folgt, ist absehbar: Sobald der Allgemeinheit selbst Zweifel kommen, kommt es zu Unsicherheiten, und die Suche nach etwas anderem setzt sich in Gang. Die Entwicklung der Hysterie erstarrt an einem gewissen Punkt und wird zu einer permanenten Form, deren typische Symptome in der Unfähigkeit, ein Selbst zu finden oder zu kreieren, liegen. Sinn und Bedeutung sind immer ein Produkt der Allgemeinheit. Im dritten Essay von Liebe in Zeiten der Einsamkeit schreibt Verhaeghe über den Trieb. Wenn unterschiedlichste Begierden und Neigungen wie beim Menschen auftauchen, ja die sexuelle Normalität (falls es so etwas gibt) zur Ausnahme wird, verschwimmen Fiktion und Wirklichkeit. s. 195 über Phantasmen: Unsere Realität hat die Struktur einer Fiktion. Spannend ist Verhaeghes historischer Vergleich der Einstellung des Menschen gegenüber Sexualität: S. 195: Die Griechen lehrten uns, den Trieb zu mäßigen.
Warum gibt es Anziehung zwischen Frauen und Männern, warum verfehlen sie sich? Warum verlieben wir uns, warum gehen Beziehungen auseinander? Einfache Fragen, die zu einer komplexen Auseinandersetzung führen, weil sie schwierige Bereiche wie Weiblichkeit, Männlichkeit, Leidenschaft, Einsamkeit, Sex und Tod berühren – vielschichtige Phänomene, die zur menschlichen Existenz gehören. Kulturelle Einflüsse verändern die Strukturen der Mann-Frau-Beziehung, wie zum Beispiel der Zerfall von patriarchalisch-monotheistischen Autoritätsverhältnissen, und damit der Funktion des Vaters, oder (neue) perverse Über-Ichs: statt Lust einzuschränken, wird diese zum absoluten Gebot. Paul Verhaeghe verbindet diese Fragen mit einer breit angelegten Analyse "unserer Kultur". Er verknüpft psychoanalytische Konzepte und Alltagspraxis und kommt damit näher an die Fragen des Lebens – und des Todes – heran, als es mit gängigen wissenschaftlichen Ansätzen oder allzu vereinfachenden Ratgebern möglich ist. Übersetzer Karin Schreiner Sprache deutsch Maße 160 x 240 mm Gewicht 550 g Einbandart Englisch Broschur Themenwelt Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Psychoanalyse / Tiefenpsychologie Schlagworte Essays • Gender • Geschlecht • Geschlechterrolle / Geschlechterbeziehung • Hardcover, Softcover / Psychologie/Psychoanalyse • HC/Psychologie/Psychoanalyse • Kapitalismus • Liebe • Sex • Sexualität ISBN-10 3-85132-310-6 / 3851323106 ISBN-13 978-3-85132-310-8 / 9783851323108 Zustand Neuware