Kleine Sektflaschen Hochzeit
Wenn du innere Monologe oder erlebte Rede schreibst, dann tu das in der Sprache und in der Zeitform der Figur. Charakterisiere deine Figuren durch die Zeitform, die sie benutzen. Lass saloppe Figuren im Perfekt erzählen und nur sehr hohe, gebildete Leute im Präteritum. Auch ob eine Figur altmodisch ist, kannst du durch das Präteritum ausdrücken, ein fünfhundert Jahre alter Vampir darf gestelzter sprechen als ein Gangmitglied aus der Bronx. Der bodenständige Kommissar weiht seinen Assistenten im Perfekt in die Vorkommnisse der letzten Nacht ein, während die Fabrikantengattin beim Teekränzchen mit den anderen Oberschichtladys dasselbe Ereignis in der Mitvergangenheit schildert. Sprechendes Porzellan: Unikate aus Meissen im Porzellanikon | BR24. Ähnliches gilt übrigens auch für den Konjunktiv. »Wenn ist würdelos« lernten wir noch in der Schule, doch der Kommissar schert sich einen Dreck drum. Der Vampir oder der gebildete Mann aus dem 18. Jahrhundert werden den Konjunktiv hingegen so geschmeidig einsetzen, dass er nicht einmal auffällt. Rückblenden sind immer heikel Aber zurück zum Erzähler.
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Mit dem Präsens nimmst du den Filter weg, näher kannst du deinen Leser gar nicht an deine Figur und ans Geschehen heranrücken. Die Kunst liegt im Wechsel Wenn du unterschiedliche Zeitformen einsetzt, gibst du deinem Roman Kontur, ja mehr noch, er wird plastisch. So wie wenn du als Maler eine Leinwand nicht einfach flächig anstreichst, sondern deinem Gemälde mit Lichtpunkten und Schatten Tiefe verleihst. Wenn du unterschiedliche Zeitformen in deinem Roman einsetzt, steuerst du Tempo, Stillage und Distanz. Die Schwierigkeit liegt dabei in den Übergängen, doch für die kann ich dir leider weder Tipps noch Regeln geben. Hier hilft nur ausprobieren, Satz für Satz. Du kannst nicht alles mit dem Kopf schreiben, hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. Wie ein Geiger die Saiten der Violine ganz exakt stimmt, musst auch du die Wirbel in deinem Text um Nuancen drehen. Wenn ich die Zeiten wechsle, schreibe ich den betreffenden Absatz in unzähligen Varianten, so lange bis Klang und Erzählfluss stimmen.