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Während die Darsteller sich nach zweieinhalb Stunden beglückt und erlöst verbeugen, fassen wir im Zuschauerraum den Entschluss: Nach Moskau! Gleich morgen. Wo auch immer das für den einzelnen liegen mag.
Stone, der letztes Jahr schon mit einem modernen John Gabriel Borkman in Berlin zu Gast war, spielt seinen Tschechow allerdings nicht im Original, sondern berschreibt ihn mit eigenem Text, der die Geschichte konsequent ins Heute holt. Das Setting ist ein zweistckiges Glashaus, in dem fast alle immer anwesend sind, einige Handlungsstrnge parallel laufen, in denen immer viel geredet und getrunken wird. Tschechow halt, mchte man sagen. Aber denkste. In den ersten zwei Akten, die am Geburtstag der jngsten Schwester Mascha und kurz vor Weihnachten im Ferienhaus der Familie in den Schweizer Bergen spielt, lernen wir die ProtagonistInnen als komplett neurotischen Haufen berdrehter Stdter kennen, deren Sehnsucht sich nicht nach dem Leben in der Stadt richtet, sondern eher an dem berangebot der Mglichkeiten scheitern lsst. Stone zeigt eine Horde von Sprechblasen absondernder Partypeople hinter Glas. Die drei schwestern basel mulhouse. Die gehobene Mittelschicht im Terrarium zur allseitigen Beugung freigegeben. Olga ( Barbara Horvath) ist auch hier eine gestresste Lehrerin, allerdings mit versteckter lesbischer Neigung.
Die Figuren reden vom Ficken, Vögeln und Wichsen, von David Bowie und Fidel Castro, die tot sind, und von Donald Drumpf, der zum Entsetzen aller gewählt wurde. Man bekommt Sachen zu hören, die relativ abstossend sind, und erlebt Szenerien, die in ihrer emotionalen Direktheit berühren und aufrütteln. Nichts mehr von der berühmten Chiffre «Nach Moskau, nach Moskau! », kein Samowar wird aufgefahren. Man geht mal nach Berlin, um irgendwie bei der Flüchtlingshilfe mitzumischen, und trinkt Quöllfrisch-Bier aus Dosen. Das alles ist nicht Tschechow und ist es am Schluss doch ganz evident. Mit einem grossen Unterschied: Wo der russische Arzt und Autor die seelischen Abgründe hinter einer subtil gewobenen Oberfläche durchschimmern lässt, lässt sie Stone im grellen Scheinwerferlicht und der mit Mikroports verstärkten Worthülsen durchblitzen. Die drei schwestern basel action. Und man staunt: Dieser Stone-Text ist am Schluss Tschechow pur: lakonisch und ergreifend, absurd-komisch und sentimental-berührend. Grandiose Schwestern … Stones bewundernswert präzise choreografierte Inszenierung entwickelt einen Sog, der einen vom ersten Moment an packt und den gut zweieinhalb Stunden dauernden Abend nicht mehr loslässt.
So wie sich all diejenigen freuen können, die sich bereits vor der Premiere ihre Eintrittskarten gesichert haben. Und das sind, wenn man einen Blick in die Saalpläne auf der Vorverkaufsseite wirft, bereits viele. Wer sich also noch einen Platz sichern möchte, sollte sich beeilen. _ «Drei Schwestern» von Simon Stone nach Tschechow. Die drei Schwestern. Theaterstück von Anton Tschechow. Theater Basel, Schauspielhaus. Die nächsten Vorstellungen: 14., 15., 20., 23. und 27. Dezember sowie im Januar
Es geht um Existenzielles und Komisches, um Hoffnungen und Träume – und darum, mit diesen gegen die stets drohenden Banalitäten des Alltags, gegen Einsamkeit und Verzweiflung vorzugehen. Simon Stone gilt mit seinen radikalen Neuinterpretationen kanonisierter Klassiker der Dramenliteratur als einer der einflussreichsten Regisseure des internationalen Gegenwartstheaters und wurde mit dieser Inszenierung des Theater Basel zum Berliner Theatertreffen 2017 eingeladen. «Tschechows Stücke beginnen alle mit dem Hinweis, dass sie in der Gegenwart spielen, und dabei nehme ich ihn wörtlich. Die Gegenwart hört nie auf. Irgendwann hat man begonnen, sie in die Vergangenheit zu versetzen, weil man der Meinung war, der Autor hätte mit der Gegenwart seine eigene Gegenwart gemeint. Theater Basel - Drei Schwestern - Bühne - arttv.ch. Dabei sollten sie doch die jeweils gegenwärtige Gesellschaft widerspiegeln. » Simon Stone Übernahme der Uraufführungsinszenierung des Theater Basel «Three Sisters» With English surtitles on Wednesday January 8 and Sunday January 12 With a drama about the everyday, about desire and failure, Anton Chekhov – and with him the modern theatre – entered the 20th century: «Three Sisters» was premiered at the Moscow Arts Theatre in January 1901.