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Wenn man in diesem vielfältigen Kompendium überhaupt etwas vermißt, dann also vielleicht einen Beitrag über die von der deutschen Germanistik naturgemäß vernachlässigte altösterreichische Sprachfärbung des Celanschen Werks. Man könnte auch bedauern, daß neben den Untersuchungen zu den französischen, rumänischen, polnischen, italienischen, Querverbindungen, der hebräische und, von Beyers Paralipomena abgesehen, der russische Meridian kaum nachgezogen werden; Celans großartige Mandelstam- und Jessenin-Übersetzungen kommen etwas zu kurz. Wichtiger aber ist, was Theresia Prammer, die jüngste Beiträgerin, meint und in "Begegnungen mit Worten. Celan italienisch" vorexerziert, daß nämlich die "Standards" der in Ehren ergrauten Celan-Forschung (Adorno, Szondi, Derrida! Italienische gedichte mit übersetzung ins russische. ) heute auch als Barrieren wirken können, die es zu überwinden gelte: Celan "fällt nicht nur immer wieder hinter Celan zurück, er fällt seinen Interpreten bisweilen nachgerade in den Rücken". Das Sich-Einlassen auf seine "kombinatorische Poetik" (Prammer), auf Neuanfänge des Verstehens kennzeichnet diesen Band.
Der einzige Autor, der in beiden Heften aufscheint, ist Theo Buck - er lieferte seinerzeit mit "Mehrdeutigkeit ohne Maske. Zum ästhetischen Modus der Dichtung Paul Celans" die Eröffnung, nun steuert er eine minutiöse und von unverhohlener Bewunderung erfüllte Analyse der Celanschen Übersetzung von Rimbauds Schlüsselgedicht "Le Bateau ivre" ("Das trunkene Schiff") bei. Als großer Gewinn der Neuausgabe erweist sich die Mitwirkung von Schriftstellern, wobei Franz Wurm, Jahrgang 1926, Primäres, nämlich Gedichte präsentiert. Literaturhaus Wien: Arnold_Celan. "Paul Celan nachgerufen" werden da Verse, die dem Widmungsträger einerseits verpflichtet sind, ja, ihm ihre Reverenz erweisen, andererseits - man möchte sagen: notgedrungen - hinter dessen ästhetischen Wegmarken zurückbleiben, hat der Czernowitzer doch bis in unsere Tage die Vorstellung von radikal moderner Dichtung geprägt. Hier sind Wurms Gedichte dennoch am Platz, nicht nur aus biographischen Gründen, sondern auch weil der Lyriker der Celan-Forschung die Leviten liest, etwa mit der Kürzeststrophe "Wer gräbt, wird nicht tiefer".
Text und Kritik. Heft 53/54. 3. Auflage: Neufassung. München: Edition Text und Kritik, 2002. 185 S. ; brosch. ; Euro 21, -. Grand Prix ganz politisch: ESC im Schatten des Kriegs. ISBN 3-88377-705-6. 25 Jahre nach der ersten "Text und Kritik"-Nummer über Paul Celan ist nun die dritte Auflage als komplette Neufassung erschienen. Vielleicht um einer gewissen dogmatischen Enge der nach wie vor kontroversiell betriebenen Celan-Exegese zu entkommen, hat Herausgeber Heinz Ludwig Arnold sein Hauptaugenmerk auf Celan als Übersetzer und als Übersetzten gelegt. In seinem Werk, so lautet die knappe Programmatik, gehe es nicht einfach um Sprache, sondern um "Sprachen": "Dass 'Sprachen' als Gegenstand von Untersuchungen andere Überlegungen und Beobachtungen möglich machen als 'Sprache', ist der Ansatzpunkt dieses Hefts. Folgerichtig kommen hier, von Michael Hamburger bis Yoko Tawada, auch Celans Übersetzer und Übersetzerinnen zu Wort, die mit der Schwierigkeit der Interpretation ihre ganz praktischen Erfahrungen gemacht haben. Die Autorenriege (in der Erstausgabe schrieben u. a. Beda Allemann, Bernhard Böschenstein und Alfred Kelletat) hat sich auf den ersten Blick verjüngt, dafür sind mit Franz Wurm und Michael Hamburger zwei Zeitzeugen dazugestoßen, die mit dem Dichter befreundet oder jedenfalls bekannt waren.
Hier wird der Celanologie viel von ihrer Schwere, ihrem Pathos, ihrem sakralen Ton genommen, wird der spielerischen Lektüre (ja, auch Celan hatte Humor) zu ihrem Recht verholfen - unnachahmlich originell von Yoko Tawada, die buchstäblich das Gras wachsen hört und sieht, die die botanische Welt der "Niemandrose" und das graphische Bild der Celanschen Wörter mit dem sinnstiftende Radikal "kusa-kanmuri" (die Krone aus Gras) der japanischen Schrift konfrontiert und sich selbstironisch zur Lust der Interpretin am Zählen bekennt. Daniela Strigl 12. Mai 2003 Originalbeitrag
Nicht zufällig sah Celan von einer Veröffentlichung ab. Indem die Mutter darin die Blume "Wolfsbohne" nennt, und nicht (wie Ingeborg Bachmann in "Die gestundete Zeit") "Lupine", bekennt sie sich zur deutschen Sprache und nimmt zugleich das wölfische, das mörderische Deutschland vorweg. Dasselbe Gedicht benutzt Marcel Beyer unter anderen, um in sprachlich-geographischen Interferenzen bei Celan das Politische dingfest zu machen. So verfolgt er nicht nur Celans private Entdeckungen der braunen Wurzeln im literarischen Nachkriegsbetrieb der BRD, so breitet er auch eine poetische Landkarte mit deutschen, russischen, tschechischen, französischen Flurnamen aus. Italienische gedichte mit übersetzung de. Bei all den spannenden Details, die Beyer da ausgräbt und beleuchtet, verrennt er sich doch hie und da, etwa wenn er zu Celans "Königreich Bemen" anmerkt, "es soll Menschen geben, die das Wort 'Böhmen' ungefähr so aussprechen". Nur einer, der noch nie etwas von 'Böhmakeln' gehört hat, kann mutmaßen, Celans ureigenes Böhmen grenze sich gegen das derjenigen ab, "die es wie 'Bemen' aussprechen mögen" und in denen Beyer ausschließlich revanchistische Sudetendeutsche zu erblicken vermag.