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Dafür klebt Caspers Herzblut an jedem einzelnen Track. Der Ton verschärft sich Der Sound der neuen Tracks ist rauer, die Beats härter. Die Raspelstimme klingt noch kratziger als sonst. Ungewohnt düster erschienen die ersten Auskopplungen "Lang lebe der Tod" und "Sirenen", vor allem im Vergleich zu den Songs, die man von Casper gewohnt ist. Bei Spotify gibt es eine Bonus-Playlist, in ihr verrät der Rapper, welche Songs und Künstler ihn bei der Arbeit am aktuellen Album beeinflusst haben. Im Vergleich zur "Hinterland"-Liste fällt auf: Haudegen wie die Nine Inch Nails und Kanye West haben Indie-Bands wie Daughter oder Okkerville River den Rang abgelaufen. Es stellt sich die Frage: Ey Cas, alles gut bei dir? Nee, nix ist gut, Casper hat keinen Bock auf fishing for compliments: In "Lass sie gehen" und "Meine Kündigung" wehrt er sich Halbwahrheiten, die in den Medien über ihn verbreitet werden, kritisiert Homophobie in der Rapszene und verweigert das Heldenpodest, auf das ihn einige Menschen stellen wollen.
Ein mutiger Casper hievt sich auf das nächste Level Wer sein neues Album mit 30 Sekunden Fanfare und einem Stück mit den Gaststars Blixa Bargeld, Dagobert & Sizarr eröffnet, hat sich einiges vorgenommen. Casper, der die Veröffentlichung seines vierten Albums um ein ganzes Jahr verschob, weil er mit dem damaligen Stand nicht zufrieden war, ist mit dem Vorgängeralbum zu einer Art Messias des Deutsch-Rap geworden, zu einem Heilsbringer, der Anhänger verschiedenster Genres vereint. Seit seinem letzten Release "Hinterland" sind fast vier Jahre vergangen. Es hat sich einiges getan in dieser Zeit. Ging es bisher in seinen Texten überwiegend um Themen der Adoleszenz und um eine Art Innenschau, widmet sich Casper auf "Lang lebe der Tod" mehr dem aktuellen Zeitgeschehen. Ein Gefühl von Endzeitstimmung durchweht das Album, das düster, aggressiv, kantig und unbequem ist. Und genau daraus seine Kraft zieht. In "Morgellon" nimmt der Deutsch-Amerikaner die Perspektive eines Verschwörungstheoretikers ein, in "Deborah" beschäftigt er sich mit dem Thema Depressionen, in "Keine Angst" mit der Gefühlskälte der Generation Y in Großstädten.
Der Tod als Antrieb für das Leben. All das Grauen und der Hass – in und um uns – als Inspiration für wunderschöne Musik. Lang lebe Casper! (Daniel Fersch)
Dass ein Album schon vor der Veröffentlichung zum Symbol für das Straucheln eines Künstlers gerät, der sich als Mensch in seiner Gänze in der Musik verwirklicht, erlebt man nicht oft – gerade im Deutschrap. Die Geschichte um "Lang lebe der Tod" ist mittlerweile x-Mal erzählt: Bereits scheinbar im Kasten entschließt sich Casper vier Wochen vor der geplanten Veröffentlichung und bereits mit der imposanten Lead-Single im Rücken, sein viertes Album zu verschieben – und zwar auf unbestimmte Zeit. Schlussendlich hieß das für die Fans: Ein Jahr Ungewissheit. Doch um es mit einem mittlerweile zwar überstrapazierten, aber nunmal einfach passenden Sprichwort zu sagen: Gut Ding will Weile haben. Mittlerweile steht "Lang lebe der Tod" in den Läden, neben den bereits im Vorfeld hörbaren Feature-Singles mit Drangsal, Sizzar, Dagobert und dem Einstürzende Neubauten Frontmann Blixa Bargeld sind auch Ahzumjot als einziges Rap-Feature, die US-Freunde von Portugal. The Man und in Skitform sogar Lil B mit dabei.
Ohne die neuen Songs im Gepäck, wollte Casper nicht auf Tour gehen. Und das Album war einfach noch nicht so, wie es sein sollte. Es fehlte noch etwas Arbeit und ein bisschen Liebe. Am Ende verzögerte sich die Veröffentlichung von "Lang lebe der Tod" um fast genau ein Jahr, mit dem Ergebnis, dass das Werk wie keiner seiner vier Studio-Vorgänger klingt. All das lässt erahnen, dass das zusammen mit " Hinterland "-Produzent Markus Ganter ( Muso, Tocotronic, Drangsal) entstandene Album ein inhaltlich wie auch musikalisch schwerer Brocken sein würde, an dem ungewöhnlich lange herumgedoktert wurde, was selten ein gutes Zeichen ist. Doch inzwischen ist auch klar, dass Casper während der Produktionszeit unter Depressionen litt, was eine laienhafte Erklärung für den düsteren Sound und die persönlichen Texte ("Deborah") des Albums sein könnte. So hören wir u. a. pochende Industrial-Klänge ("Lang lebe der Tod", "Siren"), pulsierende HipHop-Beats ("Alles ist erleuchtet"), flirrende Gitarren ("Keine Angst", "Flackern, flimmern. ")
CASPER hat sich mit seinem vierten Album Zeit gelassen – allerdings nicht ganz freiwillig. Nachdem "Lang lebe der Tod" bereits im September 2016 erscheinen sollte und die Promomaschine angelaufen war, sagte CASPER den Release ab, da das Album zu diesem Zeitpunkt noch nicht da war, wo es seiner Meinung nach hinsollte. Ein Jahr später liegt "Lang lebe der Tod" nach jahrelanger Arbeit in den Regalen. Hört man auf die Texte, wird klar, wieso die Veröffentlichung so problematisch war: Angst, Wut und Verzweiflung dominieren "Lang lebe der Tod". Diese Themen machen sich unterschiedlich bemerkbar. Da ist zum einen die Abrechnung mit der perversen Sensationsgeilheit der Gesellschaft im Titeltrack, zum anderen die Wut auf Verschwörungstheoretiker in "Morgellon" sowie die Kritik an den politischen Umständen in "Sirenen". Auf "Lass sie gehen" thematisiert CASPER sein ungutes Gefühl in seiner Rolle als Star und Hoffnungsträger des Hip-Hop. Die letzten drei Tracks des Albums greifen diese Unsicherheit auf und thematisieren eine weitere Ausprägung von Angst: Depression.
Während "Sirenen" bleibt nur kurz Zeit zum Luft schnappen, Endzeitstimmung kommt auf und schwenkt voll in Fahrt auf einen wilden Elektro-Beat um, der über den Hörer hereinbricht. Dazu flowt Casper ziemlich unangestrengt und zeigt sich weiter ohne Kompromisse angriffslustig. Stampfend, aber mit deutlich langsamerem Tempo folgt "Lass sie gehen", eine Abrechnung mit der Unterhaltungsbranche, aufdringlichen Fans und Teilen der Rap-Szene. Zu einem weiteren Refrain-Highlight auf dem Album setzt der Rapper Ahzumjot an, "Ich lieb die Stimmung kurz bevor hier alles hoch geht. " Dem ist nichts hinzuzufügen, fast nichts. Denn ein weiteres mal zaubert Cas ein herausragendes Feature aus dem Hut, Man spendieren ein Sample aus ihrem Song "Number One" und runden den Track in einer souligen Art und Weise ab, in die man sich hineinlegen möchte, sofern dass denn ginge. "Morgellon" offenbart das böse und verbitterte Innenleben von Wut- und Reichsbürgern, serviert auf einem aufgeregt-schrägen Elektro-Beat in Kombination mit rockigen Elementen.