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"Die 'Gnade der späten Geburt', so glaubte der 53-jährige Kanzler, gebe ihm die Standfestigkeit, selbst einem Mann wie Begin unbefangen vor die Augen zu treten. " Zu der Begegnung, auf die sich Kohl umfangreich vorbereitet habe, kam es damals nicht mehr, da Begin im September 1983 zurückgetreten war. [2] Helmut Kohl gebrauchte den Begriff gleichwohl während seiner Israelreise im darauffolgenden Januar. Bei der Begrüßung am Flughafen von Tel Aviv sagte er am 24. Januar 1984, er sei "als Vertreter eines 'neuen Deutschland' gekommen, als 'erster Bundeskanzler aus der Nachkriegsgeneration', die einen unbefangeneren politischen Umgang zwischen Deutschen und Israelis wolle als frühere Generationen. " [3] Seine Rede vor der Knesset am selben Tag, die unter Protesten mehrerer Abgeordneter stattfand, begann er mit den Worten: "Ich rede vor Ihnen als einer, der in der Nazizeit nicht in Schuld geraten konnte, weil er die Gnade der späten Geburt und das Glück eines besonderen Elternhauses gehabt hat. "
[4] Er hob sein Geburtsdatum auch später während des Besuchs noch mehrmals hervor, betonte aber gleichwohl die besondere deutsche Verantwortung für Israel. Deutschland war damals wegen Waffenlieferungen an Saudi-Arabien in die Kritik geraten. [3] Die deutsch-israelischen Beziehungen seien "immer mehr ein normales Verhältnis geworden", deshalb sei auch dieser Verkauf von deutschen Waffen an die Gegner Israels nicht mehr ausgeschlossen. [5] Später wies der Publizist Günter Gaus darauf hin, dass er bereits vor Kohl von der "Gnade der späten Geburt" gesprochen und Kohl diesen Begriff nur plagiiert habe. [6] Er hatte damit allerdings auf die protestantische Rechtfertigungslehre nach Martin Luther Bezug genommen und damit eine Gnade gemeint, "die keine Schuld tilgt und die nicht durch eigenes Verdienst erworben werden kann. " Das Wort war in der Folge aus diesem Zusammenhang gerissen worden, sein Sinn wurde in das Gegenteil von dem verkehrt, was ursprünglich damit gemeint war. [7] Gaus sagte, der Begriff sei als Alibi für einen "Schlussstrich" missbraucht worden.
Der politische Ausspruch Kohls wurde im Einzelnen sehr unterschiedlich wahrgenommen. Kritiker sahen in der Formulierung das mögliche Problem, dass spätere Generationen die historische Verantwortung von sich weisen würden und damit zugleich kein Verantwortungsbewusstsein mehr für aufkeimenden Faschismus und Antisemitismus entwickelten. Der damalige Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland Heinz Galinski warnte, die Gnade der späten Geburt dürfe "nicht zum Fluch des frühen Rückfalls" werden. [10] Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten] Maren Röger: Gnade der späten Geburt. In: Torben Fischer, Matthias N. Lorenz (Hrsg. ): Lexikon der "Vergangenheitsbewältigung" in Deutschland. Debatten- und Diskursgeschichte des Nationalsozialismus nach 1945. Bielefeld: Transcript, 2007 ISBN 978-3-89942-773-8, S. 226f. Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten] ↑ a b Christel Gärtner, Karl Gabriel, Hans-Richard Reuter: Religion bei Meinungsmachern. VS Verlag für Sozialwissenschaften.
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