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Der Kommentar bereitet aufwändig die persönlich-biografischen und zeithistorischen Hintergründe auf. Informationen zur Reihe Die Schulbibliothek ist eine originelle und fantasievolle Sammlung moderner Texte für den Unterricht. Die didaktische Aufbereitung ist dem Prinzip eines offenen und produktionsorientierten Literaturunterrichts verpflichtet. Timm, Am Beispiel meines Bruders Buch versandkostenfrei bei Weltbild.de. Leitziel der Kommentierung sind Motivation und Lesevergnügen, zugleich Ansporn zur Eigentätigkeit und zum freien Umgang mit den Materialien, sei es in Einzel- oder Partnerarbeit. Inhaltsverzeichnis Statt einer Vorbemerkung 4 Uwe Timm: Am Beispiel meines Bruders 5 Historische Daten 107 Reaktionen - Rezensionen 109 Zwei Beispiele unterschiedlicher Erfahrungen 119 Textarbeit 123 Titel 123 Erzähleingang 123 Familiengeschichte 125 Der Faschismus und das «Humane» 128 Erinnerungsbuch 131 Poetologische Standortbestimmung 135 Leben und Werk 138 Weitere Titel aus der Reihe Buchners Schulbibliothek der Moderne
Wenn eine Passantin an das Schaufenster kam, trat er langsam ein, zwei Schritte zurück, um nicht gesehen zu werden. "Am Beispiel meines Bruders" ist ein sehr eindringliches Portrait: Eine Darstellung der Erwachsenen, die im Hin und Her der Ideologien versuchen, ihre eigene Geschichte hinter sich zu lassen oder anzupassen als jene, die 'noch einmal so davon gekommen sind'. Gleichermaßen ist es ein Portrait der Nachkriegskinder, die sich auf der Suche nach der eigenen Identität gegen die Vergangenheitsverdrängung der Eltern auflehnen, die sich nicht einfach im Gegebenen arrangieren wollen, ohne die Geschichte zu reflektieren – und in dem die 1968er-Prägung des Autors immer wieder deutlich hervorschimmert. Am beispiel meines bruders vater und. Der Leser verfolgt, wie der Autor am Sterbebett der Eltern sitzt, später auch am Sterbebett der Schwester. Er verfolgt, wie die Familie mit dem Tod des im Krieg gefallenen Sohnes umgeht, betrachtet glückliche und traurige Ausschnitte aus der Erinnerung des Autors, liest, wie der Autor Abschied nimmt von seinen Familienmitgliedern, auf eine sehr nahegehende Art und Weise.
Dabei schafft Uwe Timm es, seine Familie einerseits aus der emotionalen Sicht des Sohnes und Bruders darzustellen, andererseits aber auch aus der kritischen Sicht des im Nachkriegsdeutschland aufgewachsenen Mannes, der die Handlungen der Eltern hinterfragte und in der Studentenbewegung aktiv wurde. Er versucht, sich die Charaktere der Familienmitglieder aus Erinnerungsstücken und Briefen zu erschließen. Insbesondere den autoritären Vater betrachtet er so von einem sehr distanzierten Blickwinkel aus: Manchmal, sehr selten, ist er mir nahe. Ein Foto, an der Oberfläche brüchig und bräunlich, zeigt ihn – es wird im Baltikum aufgenommen worden sein –, er steht vor einer Bauernkate im Schnee, die Uniformmütze auf dem Kopf, in Uniform und Stiefeln. Er steht da und lacht. Am beispiel meines bruders vater mit. Eine Ähnlichkeit, die auf eine eigentümliche Weise uns aufhebt, meinen Sohn und mich, zumindest auf diesem kleinen Foto und aus der Distanz der Kamera. Timm zeichnet eigene Erinnerungsbilder nach, verknüpft mit Ausschnitten aus Frontbriefen, aus Tagebuchtexten, aus zeitgeschichtlichem Material.
Es war nicht nur der Vater gescheitert, sondern mit ihm das kollektive Wertesystem. Und er selbst war, wie die vielen anderen - wie fast alle, bis auf die wenigen, die Widerstand geleistet hatten - an der Zerstörung dieser Werte beteiligt gewesen. Die Reaktion darauf waren Trotz oder Verdrängung. Ein knappes Tagebuch Ein Tagebuch und ein paar Briefe - dürftiges Material für Uwe Timm, zumal gerade das Tagebuch seltsam emotionslos und knapp verfasst ist. Karl-Heinz Timm notierte darin Einsätze, Transporte, hin und wieder den Verlauf einer Kampfhandlung, all das in einem reduzierten Stil, der keine Rückschlüsse auf die emotionalen Befindlichkeiten des Schreibers zulässt. 14. März: Flieger. Iwans greifen an. Mein überschweres Beute-Fahr-MG schießt wie toll, ich kann die Spritze kaum halten, paar Treffer. 15. März: Wir gehen auf Charkow vor, kleine Reste der Russen. 16. März: In Charkow. 17. März: Ruhiger Tag. Am beispiel meines bruders vater. Erschütternder Eintrag Und dann, am 21. März, jener Eintrag, der Uwe Timm immer wieder dazu veranlasste, nicht weiterzulesen, sondern das Heft wegzuschließen.
Wo das Gespräch unmöglich ist, hilft die Lektüre. Timm liest: Christopher R. Brownings Studie "Ganz normale Männer" über die Untaten des Reserve-Polizeibataillons 101 in Polen, die Bücher Primo Levis, Aufzeichnungen deutscher Generäle. Aber vor allem liest er die Feldpostbriefe und das Tagebuch seines Bruders. Am Beispiel meines Bruders – Neue Woertlichkeit.. Lange Zeit scheitert er an der Lektüre. So wie er als Kind das Märchen vom Ritter Blaubart nicht zu Ende anhören kann, und erst als Erwachsener vom Blut in der Kammer liest, das das Kind geahnt hatte, kann er nun das Heft seines Bruders nicht lesen. Am Ende findet er dort jedoch weder, was er erhofft, noch, was er befürchtet hatte. In denkbar knappen, emotionslosen Notizen hält der Bruder Stationen des Vormarschs, Gefechte, Verwundungen, Verluste und kleine Ereignisse fest. Die Eintragungen müssen im geheimen gemacht werden, denn den Angehörigen der Waffen-SS ist das Führen eines Tagebuchs verboten. In den Händen des Feindes könnten wertvolle Informationen daraus geschöpft werden.
Am 16. Oktober 1943 erliegt er seinen Verletzungen. Eine andere deutsche Jugend: Unter nassen Handtüchern im Kinderwagen liegend, wird er durch das brennende Hamburg gefahren. Die Flämmchen, die durch die Luft fliegen, werden erst viel später als brennende Gardinenfetzen identifiziert. Der Bruder stirbt in Rußland, der Vater, Luftwaffenangehöriger, diskutiert noch in den fünfziger Jahren, wie der Krieg hätte gewonnen werden können. Der Fünfjährige entzückt die Verwandten, weil er so schön die Hacken zusammenschlagen kann, die erste Jeans, nach monatelangem Kampf errungen, verändert den Gang des Vierzehnjährigen, verleiht ihm etwas Lässiges. Timm, Uwe: Am Beispiel meines Bruders. Kürschnerlehre, gegen den eigenen Wunsch, auf Drängen des Vaters, der sich Hilfe für den Familienbetrieb und einen Nachfolger wünscht. Der Gang ins Amerikahaus, der Gedanke an Auswanderung. Die Amerikanisierung vieler Lebensbereiche wird als befreiend empfunden, aber für viele in der Generation der Eltern ist sie eine Demütigung. Das Schweigen der Alten über die Vergangenheit ist ihm genauso unerträglich wie ihr Schwadronieren vom Krieg oder die Verkleinerung des Grauens in der Anekdote.
Ein kurzes Leben, das lange nachwirkt Ein Tagebuch und ein paar Briefe - das ist alles, was von Karl-Heinz Timm geblieben ist. Dürftiges Material für Uwe Timm, den jüngeren Bruder, der in seinem neuen Buch das Trauma einer ganzen Generation aufarbeitet, unter dem nicht nur seine Familie zu leiden hatte. 8. April 2017, 21:58 Im Jahr 1943 starb Karl-Heinz Timm, Uwe Timms älterer Bruder, mit 19 Jahren in einem Lazarett in der Ukraine an einer Kriegsverletzung. Eine scheinbar einfache Geschichte, die sich im Zweiten Weltkrieg hundertfach wiederholt hat - und ein komplexes Drama innerhalb Uwe Timms Familie. Gerade der frühe Tod des Bruders machte ihn unsterblich, verlieh ihm in den Augen der Eltern eine fast mystisch-überhöhte Aura. Dieser Aura spürt Uwe Timm in seinem neuen Buch nach, versucht zu ergründen, wer der Bruder tatsächlich war und was sein früher Tod für die Familie bedeutet hat. Eben die Abwesenheit des Bruders bewahrte dessen bewundernden Blick auf ihn, den Vater, und damit auch das Bild, das er einmal von sich selbst gehabt hatte.