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Bühnenbildner Jan Pappelbaum hat dazu einen kahlen Finsterwald auf die Bretter gesetzt, vor den mal Pulte gerollt, später Zelte oder ein Gerichtsstand geschoben werden – ein Ineinanderfallen der Schauplätze, das eine bestürmend fiebertraumhafte Atmosphäre schafft und auch den sich entspinnenden Horváthschen Kriminalfall in eine berückend unheilvolle Schwebe hebt. Der spielt sich in einem paramilitärischen Natur-Camp in der Nähe eines stillgelegten Sägewerks ab, das die Schüler mit Begeisterung absolvieren. „Jugend ohne Gott“ - Schaubühne Berlin | Sehenswert? Kritiken, Bewertungen, Rezensionen .... Mit Gott hat das alles wenig zu tun Hier beginnt der Z (Laurenz Laufenberg) eine heimliche Liebschaft mit dem wilden Höhlenmädchen Eva (Alina Stiegler), wovon der Lehrer durch Tagebuchschnüffelei erfährt. Doch er schweigt. Als dann der N ermordet wird, fällt der Verdacht (fälschlich) auf den Z – und die Frage nach der Wahrheit ist nun nicht länger eine individuelle Angelegenheit, sondern wird zur Prüfung auf Zivilcourage. Ostermeiers " Jugend ohne Gott " – eine Koproduktion mit den Salzburger Festspielen, wo im Sommer die Premiere stattfand – entwirft damit quasi das Gegenbild zur Deutung, die Regisseur Nurkan Erpulat im Frühjahr am Gorki Theater vorgelegt hat.
Horváths 1937 in einem Amsterdamer Exil-Verlag erschienener Erfolgsroman "Jugend ohne Gott" ist ein Krimi in totalitären Zeiten. Der Lehrer hat sich dem Regime zumindest äußerlich angepasst, wagt es aus Angst und Trägheit nicht, offen zu opponieren. Den rassistischen Ausfall eines Schülers in einem Aufsatz bemängelt er, gibt dem Jungen aber dennoch eine gute Note. Er versucht, einen Rest von Humanität zu leben, was ihm jedoch immer seltener gelingt, weil sich die Welt um ihn herum immer mehr brutalisiert. Dann bricht sich die unterschwellige Gewalt während einer Klassenfahrt mit militärischen Kampfübungen in einem grundlosen Mord an dem Schüler "N" Bahn, dessen halbherzige Aufklärung den Lehrer dazu anstachelt, sich mutig auf die Suche nach der Wahrheit zu machen. Als Täter wird schließlich der gewissenlose Schüler "T" identifiziert, ein emotional vernachlässigter Junge aus bestem Hause, der sich selbst das Leben nimmt. Jugend ohne Gott – Das Kulturblog. Der Mut des Lehrers wird zum Keim für eine Widerstandsgruppe. Hartmann, bekannt als Stasi-Offizier Falk Kupfer in der TV-Serie "Weissensee", spielt das sehr authentisch, er ist der ruhende Pol dieser manchmal etwas überdrehten und sehr textlastigen Inszenierung.
Sie macht nicht nur den Lehrer sprachlos, dessenArgumente an der rhetorisch polierten Wand abprallen. Die Schüller als alter ego ihres Lehrers? Jugend ohne gott schaubühne kritik in debate. Eher sind es wohl doch eigene unreife Charaktere, mit bösen häuslichen Problemen belastet, für die sie keine andere Lösung haben, als sich mit Gewalt und Trotz zu wehren, und wie im Fall des tagebuchschreibenden Schülers, mit Poesie aus der Realität zu entfernen. Dass ein menschenwürdiges Miteinander, eine aufrichtige Gesellschaft, die Verantwortung und Zivilcourage zeigt, doch möglich sein könnte, lässt der Autor zum Schluss als Hoffnungsschimmer aufleuchten. Regisseur Ostereier übernimmt das unwahrscheinliche Happyend, das die Ehrlichkeit ans Licht holt, die Missetäter sich selber richten läßt und den Lehrer mit einem ausgesprochen interessanten Exil "belohnt", wohl eher Galgenhumor des Autors. Eine Inszenierung, die mit darstellerischer Eindringlichkeit vor allem die gesellschaftliche Biederkeit und Engstirnigkeit einer kleinstädtischen Gesellschaft transparent macht.
Dieser Einstieg in den Abend passt aber auch deshalb gut, weil er eine Facette von Ödön von Horváths Biografie spiegelt, auf die uns das lesenswerte Programmheft aufmerksam macht. Horváth, der sich mit sozialkritischen Volksstücken in der Spätphase der Weimarer Republik einen Namen gemacht und den Zorn der Nazis zugezogen hat, lavierte nach der Machtergreifung der Nazis. Jugend ohne gott schaubühne kritik und. Er knüpfte Kontakte ins Exil, versuchte aber auch in der von Goebbels und seinem Propagandaministerium gehätschelten Filmbranche Fuß zu fassen und antichambrierte, um in die Reichsschrifttumskammer aufgenommen zu werden. Diesen Gewissenskonflikt, ob er sich mit dem faschistischen System und seinem militärischen Drill arrangieren oder seine Festanstellung inklusive Pensionsansprüchen aufs Spiel setzen soll, durchlebt auch der namenlose Lehrer, der als Ich-Erzähler in inneren Monologen durch den Roman-Plot führt. Schaubühnen-Ensemble-Mitglied Jörg Hartmann legt die Rolle dieses Lehrers ganz so an, wie ihn ein Millionenpublikum aus seiner Nebenbeschäftigung als Dortmunder Tatort-Kommissar kennt: mit Sorgenfalten und Augenringen, die erahnen lassen, dass er einiges durchgemacht hat, in seinen minimalistischen Gefühlsregungen jedoch immer darauf bedacht, nicht zu viel von sich preiszugeben, aber letztlich mit dem Herz am rechten Fleck und auf der richtigen Seite stehend.
* Regisseur Nurkan Erpulat hat nun mit der Autorin Tina Mller eine Bhnenfassung fr das Maxim Gorki Theater geschaffen, die den Fokus der Lehrer-Perspektive umkehrt und auf die Gedanken und Gefhle der Schler richtet. Dazu haben sie Horvths Geschichte in heutiger Sprache neu berschrieben. Mal abwechselnd oder chorisch sprechen sieben junge SchauspielerInnen [Namen s. u. ], die auf der von Alissa Kolbusch mit einer Art Halfpipe-Rampe ausgestatteten Bhne stehen, den Text. Sie bernehmen dabei die Rollen der Schler, die nur mit den Anfangsbuchstaben ihren Namen benannt sind, aber auch die der Erwachsenen, wie Eltern, Schulleiter, Offizier, oder Gerichtsprsident. Aus einem sich ffnenden Schlitz an der Rckwand steigend, rutschen sie die Rampe herunter, klettern wieder an ihr hoch und bewegen sich zumeist recht dynamisch zu live erzeugten Gitarrenklngen. Jugend ohne gott schaubühne kritika. Wie bei einer erkennungsdienstlichen Behandlung halten alle kleine Krtchen mit ihren Anfangsbuchstaben hoch, oder stehen vor einer auf die Rckwand projizierten Grenskala.
Damit schmilzt sein Schutzschild, das ihn vor übereifrigen Schülern und deren nazitreuen, mißtraurischen Eltern unangreifbar machen sollte, und er setzt nach altem klassischen dramaturgischen und empirischen Gesetz eben doch jene Maschinerie in Gang, der er entrinnen wollte. Sein Zögern und Zaudern, sein verdrängtes Ehrgefühl für Gerechtigkeit und die Verteidigung von wahrhaftiger Historie und sprachlicher Exaktheit verfängt sich in seiner mangelnden Zivilccourage als er der politischen Korrektheit trotzt und in dem Aufsatz zum Deutschen Kolonialismus einem Schüler die Formulierung der rassischen Minderwertigkeit afrikanischer Einwohner, wenn auch nur ansatzweise, zaghaft redigiert. Doch dieses kleine "Vergehen" wird ihn die Existenz kosten. Jugend Ohne Gott - 4 Presseschau-Absätze - Perlentaucher. Denn der regimetreue Vater des betroffenen Schülers protestiert, der Schüler muckt auf, die Klasse formiert sich gegen den "Herrn Lehrer", der den aufziehenden Sturm nicht wirklich ernst nimmt, wohl aber zunehmend verunsichert ist. Auch sein kurz vor dem Ruhestand stehender Direktor kann ihn nur zum Schweigen raten.
Denn mit seinen auspendelnden, aber wenig klaren Entscheidungen ist er ein unberechenbarer Gegner für die Jugend, deren Ungläubigkeit hier gar so keine entschiedene oder entscheidende Rolle spielt, das göttliche, also übergeordnete moralische Element fehlt nicht zuerst der Jugend, sondern der Erwachsenwelt. Die Zöglinge, die dem Lehrer in einer kriegsvorbereitenden Freizeit anvertraut sind, bleiben ihm fremd, feindlich, unheimlich. Gegner auf einem Terrain, das der feingeistige Historiker nicht begreifen kann. Kriegsspiele und nächtliche erotische Eskapaden, Geheimnistuerei, Schlägereien, Machtkämpfe, die er moralisch beeinflussen könnte, sind ihm unangenehm. Bei Hörwath beschreibt der sehr sensible, an die Mutter fixierte Mann in einem Briefwechsel die Gründe, warum er nicht den Beruf des Arztes gewählt hat, nämlich, weil er nicht kranken, sondern gesunden, jungen Menschen Bildung und Weitsicht, Geist und Bildung für ein moralisch und ethisch festes Lebensbild vermitteln will. Ein Mensch also, der zum Scheitern in diesem politischen Zeitgeist geprägten Umfeld verurteilt ist, wenngleich er nicht hilflos daneben stehen müßte.