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"Sind wir denn aber nicht in einem ewigen Gewaltzustand? Weil wir im Kerker geboren und großgezogen sind, merken wir nicht mehr, daß wir im Loch stecken mit angeschmiedeten Händen und Füßen und einem Knebel im Mund. " (An die Familie, 1833) Büchner über die Macht des Hungers: "Ein Huhn im Topf jedes Bauern macht den gallischen Hahn verenden. "(An Gutzkow, 1835) Woyzeck: "Ja Herr Hauptmann, die Tugend. Ich hab's noch nicht so aus. Sehn Sie, wir gemeine Leut, das hat keine Tugend, es kommt einem nur so die Natur, aber wenn ich ein Herr wäre... " (Woyzeck, Szene 5) "Ich studierte die Geschichte der Revolution. Ich fühlte mich wie zernichtet unter dem gräßlichen Fatalismus der Geschichte. " (An die Braut, März 1834) Danton: "Wer will der Hand fluchen, auf die der Fluch des Muß gefallen? Wer hat das Muß gesprochen, wer? Was ist das, was in uns hurt, lügt, stiehlt und mordet? Puppen sind wir, von unbekannten Gewalten am Draht gezogen; nicht, nichts wir selbst! Die Schwerter, mit denen Geister kämpfen, man sieht nur die Hände nicht, wie im Märchen. Fatalismus-Brief Arbeitsblatt 7. "
Die Faktizität des Schmerzes bewirkt den von Payne formulierten "... Riß in der Schöp- fung... " ( DT III, 1 = S. 44), der entweder das Dogma göttlicher Unfehlbarkeit in Frage stellt, oder das der Güte, da die Absichtlichkeit des Schmerzes nur der Belustigung dienen würde. In diesem Sinne fragt Camille: ".. die Götter erfreuen sich ewig am Farbenspiel des Todeskampfes? " ( DT IV, 6 = S. 65). Relativierung und Desillu- sion greifen daher definitv auch auf religiöser Ebene. [... ] 1 Brief an die Braut, März Büchner: Werke und Briefe 1985, S. 256. 2 Werner 1992, S. 90. 3 Petersen 1973, S. Georg Büchner. 263. 4 Dantons Tod. Vgl. oben Anm. ; für Zitate aus dieser Ausgabe wird künftig diese Sigle verwendet: DT
Sind wir denn aber nicht in einem ewigen Gewaltzustand? Weil im Kerker geboren und großgezogen sind, merken wir nicht mehr, daß wir im Loch stecken mit angeschmiedeten Händen und Füßen und einem Knebel im Munde. Was nennt Ihr denn gesetzlichen Zustand? Ein Gesetz, das die große Masse der Staatsbürger zum fronenden Vieh macht, um die unnatürlichen Bedürfnisse einer unbedeutenden und verdorbenen Minderzahl zu befriedigen? Büchner brief an die brut de net. Und dies Gesetz, unterstützt durch eine rohe Militärgewalt und durch die dumme Pfiffigkeit seiner Agenten, dies Gesetz ist eine eweige, rohe Gewalt, angetan dem Recht und der gesunden Vernunft, und ich werde mit Mund und Hand dagegen kämpfen, wo ich kann. Wenn ich an dem, was geschehen, keinen Teil genommen habe und an dem, was vielleicht geschieht, keinen Teil nehmen werde, so geschieht es weder aus Mißbilligung, noch aus Furcht, sondern nur weil ich im gegenwärtigen Zeitpunkt jede revolutionäre Bewegung als eine vergebliche Unternehmung betrachte und nicht die Verblendung Derer teile, welche in den Deutschen ein zum Kampf bereites Volk sehen. "
Kontrovers zum aufklärerischen Anspruch einer Fortschrittsbewegung der Geschichte einem Ideal entgegen, ist Büchners Geschichtsverständnis nicht zielorientiert. Vielmehr ver- deutlichen ihre einzelnen Erscheinungen in kreisender Bewegung die Unfreiheit in der menschlichen Existenz. Die Geschichte wird als eine Macht verstanden, die von der Summe der Individuen realisiert wird, d. h., jeder einzelne hat daran teil. In ihrer Gestalt als Summant der Interessen entwickelt sie aber eine Eigendynamik, die sich dem Eingriff der Einzelnen entzieht, und ihnen keine Möglichkeit zur Bestim- mung des Geschehens läßt. Georg Büchner Portal :: Briefe. Es können zwar Impulse durch subjektive Interessen ge- setzt, die Entwicklung der Ereignisse selbst aber nicht gesteuert werden. Deshalb ist der "... Einzelne nur Schaum auf der Welle, die Größe ein bloßer Zufall... ", wie es im Brief weiter heißt. Es ist die `ewige Wiederkehr des Gleichen´, sinnleer kreisend, in welcher der Fatalismus zum Ausdruck kommt. 2. Wesentliches zum menschlichen`Sein´ Der Mensch ist, so bleibt festzuhalten, in einer Wechselwirkung der gegenseitigen Abhängigkeit zur Geschichte als dem übergreifenden Lebenszusammenhang befan- gen.