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Die Rezeption von Brechts Gedicht im Volk findet kaum statt, ich finde im Netz keinen einzigen Vortrag (von Zuckmayers Gedicht immerhin einen, wenn auch einen amateurhaften), obwohl es nach dem Urteil der großen Kunstrichter in den Kanon von Brechts Gedichten gehört. Analyse Carl Zuckmayer: Elegie von Abschied und Wiederkehr (1939) (gesprochen)
In der letzten Strophe hebt der Zeilenschnitt wieder die Differenz des Ich zu den Stadtbewohnern hervor: Tödliche Schwärme (V. 9), Feuersbrünste (V. 10), der gleiche Schnitt wie in V. 2: "Folgend den Bomberschwärmen". Die Sprache des Ich ist die normale Sprache des Alltags von Heimkehr und Empfang, um das Vokabular des Krieges erweitert. Man erfasst die Eigenart von Brechts Gedicht, wenn man es etwa mit Carl Zuckmayers Gedicht "Elegie von Abschied und Wiederkehr", 1939 in den USA geschrieben, vergleicht (Links s. u. ): Ich weiß, ich werde alles wiedersehn. Und es wird alles ganz verwandelt sein, Ich werde durch erloschne Städte gehn, Darin kein Stein mehr auf dem andern Stein -… (1. Str. ) Wie dezent ist da von der Zerstörung die Rede! In der 2. Strophe folgt der Rekurs auf die Natur, die den Krieg überstanden hat und deshalb als "Totenwache" fungiert: Der breite Strom wird noch zum Abend gleiten. Auch wird der Wind noch durch die Weiden gehn, Die unberührt in sinkenden Gezeiten Die stumme Totenwache am Ufer stehn… Und am Ende steht ein kryptisches Zeichen, das Signum der traditionellen Lyrik, die auch im Sinnlosen noch Sinn sucht oder stiftet und deshalb auch an der schönen Form von Metrum und Reim festhält: … Leid wird zu Flammen, die sich selbst verzehren, Und nur ein kühler Flug von Asche bleibt – Bis die Erinnrung über dunklen Meeren Ihr ewig Zeichen in den Himmel schreibt.
Die Vaterstadt, wie find ich sie doch? … Text (fälschlich 3 statt 2 Strophen) (S. 1, unten) Das Gedicht ist im Sommer 1943 in den USA entstanden; Brechts Heimatstadt Augsburg ist tatsächlich erst am 25. /26. Februar 1944 durch Bomben zerstört worden. Gleich an dieser Stelle muss man daher auf den Unterschied zwischen dem lyrischen Ich und Bertolt Brecht aufmerksam machen: Das lyrische Ich kann (nicht nur 1943) seine Heimatstadt zerbombt sehen, während Brechts Augsburg erst 1944 im Bombenhagel unterging. Das lyrische Ich stellt sich, offensichtlich im Exil, drei Fragen: Die Vaterstadt, wie find ich sie doch? Wo denn liegt sie? Die Vaterstadt, wie empfängt sie mich wohl? Diese drei Fragen und die Antworten darauf, welche das Ich sich in einem Monolog gibt, machen das Gedicht aus. Schon die erste Frage ist befremdlich: Es kann normalerweise nicht schwer sein, die Vaterstadt zu finden; man setzt sich in den Zug oder ins Auto und fährt hin, man kennt ja die Verkehrsadern. Um die Frage ganz zu verstehen, muss man die Partikel "doch" beachten (), "eine Partikel, welche eigentlich für den Nachsatz gehöret, und überhaupt betrachtet, eine Bejahung andeutet, obgleich diese Bejahung gemeiniglich mit allerley Nebenbegriffen verbunden ist. "
Ich weiß, ich werde alles wiedersehn. Und es wird alles ganz verwandelt sein, ich werde durch erloschne Städte gehn, darin kein Stein mehr auf dem andern Stein - und selbst noch wo die alten Steine stehen, sind es nicht mehr die altvertrauten Gassen - Ich weiß, ich werde alles wiedersehen und nichts mehr finden, was ich einst verlassen. Der breite Strom wird noch zum Abend gleiten. Auch wird der Wind noch durch die Weiden gehn, die unberührt in sinkenden Gezeiten die stumme Totenwacht am Ufer stehn. Ein Schatten wird an unsrer Seite schreiten und tiefste Nacht um unsre Schläfen wehn - Dann mag erschauernd in den Morgen reiten, der lebend schon sein eignes Grab gesehn. Ich weiß, ich werde zögernd wiederkehren, wenn kein Verlangen mehr die Schritte treibt. Entseelt ist unsres Herzens Heimbegehren, und was wir brennend suchten, liegt entleibt. Leid wird zu Flammen, die sich selbst verzehren, und nur ein kühler Flug von Asche bleibt - Bis die Erinnrung über dunklen Meeren ihr ewig Zeichen in den Himmel schreibt.
Hier trennt der Zeilenschnitt wirklich überraschend das Substantiv von dem vorhergehenden Attribut. "Das in den Feuern dort" (V. 6) zeigt, dass die Vaterstadt unkenntlich ist, ein bloßes "Das"; die Feuer bilden den Fuß der Rauchgebirge, Feuer und Rauch verdecken die (Reste der) Stadt. Damit ist die dritte Frage berechtigt, weil das Ich ja den Bomberschwärmen folgt: "Die Vaterstadt, wie empfängt sie mich wohl? " Durch die abgetrennte Spitzenstellung bekommt "die Vaterstadt" (wie in V. 1) ein größeres Gewicht, welches vielleicht die Nachdenklichkeit des Ich bezeugt. Auf diese Frage gibt es keine Antwort – an Stelle der Antwort reflektiert das Ich noch einmal die Bedingungen, unter denen es in der Vaterstadt ankommen wird: "Vor mir kommen die Bomber: (…) Feuerbrünste / Gehen dem Sohn voraus. " Unter diesen Bedingungen kann der Sohn nicht auf ein "Willkommen in der Heimat! " hoffen, vor allem deshalb, weil er im Gefolge der feindlichen Bomber kommt – davon, dass die Menschen in der Heimat weithin Nazis waren und über die Ausreise des verlorenen Sohnes der Stadt gejubelt haben, ist nicht einmal die Rede; und doch machen solche ideologischen Differenzen die Heimkehr wahrscheinlich noch schwerer als die Zerstörung der Stadt durch die alliierten Bomber, das war ja Krieg!
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