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Mortimer, der die Befreiung Marias betrieben hatte, richtete sich bei Schiller selbst mit dem Dolch, nachdem sein Plan gescheitert war. Andreas Kriegenburgs Inszenierung war kein verstaubtes Historiendrama, den Klassiker ehrend und tötend. Es war ein Psychodrama und ein Gesellschaftskrimi, gänzlich frei von Eitelkeiten oder Manierismen. Ästhetisch gelungen, gradlinig und übersichtlich erzählt gab es weder Längen, noch peinliche Plattitüden. Es war, wie man so schön sagt, eine gelungene Punktlandung und somit ein echtes Plädoyer für die deutsche Klassik, die immer noch ihren theatralischen und moralischen Wert hat. Es gab lang anhaltenden Applaus und viele Bravos für die Darsteller und für die Regie. Wolf Banitzki Maria Stuart von Friedrich Schiller Walter Hess, Brigitte Hobmeier, Oliver Mallison, Jochen Noch, Annette Paulmann, Wolfgang Pregler, Max Simonischek, Edmund Telgenkämper, Vincent zur Linden Regie: Andreas Kriegenburg
(Kronen Zeitung) Vor dem Vorhang ist hinter dem Vorhang. Lautsprecherdurchsagen der Abendregie: "Beginn in fünf Minuten". Ein Schauspieler in Polizeimontur fährt mit dem Staubsauger die Schaurampe ab. Klares Signal: Hier ist Klassikerentstaubung angesagt! Im Trauerspiel "Maria Stuart" führt Schiller, zum Weinen schön, die in den "Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen" erörterte Dialektik vor: von Notwendigkeit und Freiheit, Sinnlichkeit und Vernunft, Einbildungskraft und Erkenntnisvermögen, Willkür und Gesetz, Natur und Kultur. Dieses zarte jambische Gespinst, eine symmetrische Konstruktion mit dem Zusammentreffen der Königinnen im Mittelakt, verträgt sanfte Kürzungen. Eine aufgedonnerte Zicke setzt sich vor den Schminktisch und probiert die Stimme aus: Bühnen- und Wiener Vorstadtdeutsch. Florian Carove, urkomisch im Tigermantel wie ein Zuhälter, stürzt mit einem Sektkübel in die Garderobe - oder ist schon Vorstellung? (Wiener Zeitung) Regisseur Günter Krämer ist ans Theater in der Josefstadt gekommen, um das berühmte Drama "Maria Stuart" auf den Kopf zu stellen.
Schon lange Zeit entbehr ich im Gefängnis der Kirche Trost, der Sakramente Wohltat. Und die mir Krone und Freiheit hat geraubt und meinem Leben selber drohte, die die Himmelstüre nicht verschließen wollen. " Sätze in fünf jambischen Hebungen Es ist dieser leiernde Tonfall, der nachhaltig irritiert. Absicht, ließ Regisseur Andreas Kriegenburg schon vor der Premiere wissen und überraschte in den für ihr eher poppiges Theater bekannten Münchner Kammerspielen mit einer sehr der Klassik verhafteten Aufführung. Also mit einer Beschränkung des kompletten Theaterstücks auf den Originaltext im so genannten "Blankvers", und das wiederum heißt bei Friedrich Schiller: Kein Endreim, sondern Sätze in fünf jambischen Hebungen, wobei ein Jambus Teil eines Verses ist, der aus zwei Elementen besteht und jedes zweite Element betont wird. Ist noch komplizierter, als es klingt. Es spricht ja nicht nur die eingekerkerte Maria Stuart so. Auch ihre Gegenspielerin, die Königin von England, und die Hofschranzen zur einen wie zur anderen Seite, die sich als Lordesker Halskrausen-Intrigantenstadl erweisen, sind gefangen in ihren Rollen und dieser Sprechweise.
Elisabeth musste unbedingt um ihr Leben fürchten. Das musste sie auch angesichts des Herrschaftsanspruchs ihrer Cousine Maria Stuart, katholische Königin von Schottland, deren Hände bereits mit dem Blut ihres Ehemanns besudelt waren. Als es in Schottland zum Bürgerkrieg kam, floh sie nach England, wo sie nicht nur um Asyl nachkam, sondern auch klammheimlich die Übernahme der Krone betrieb. Dies sollte mit Hilfe der katholischen Opposition in England, aber auch mit Verbündeten aus Spanien geschehen. Maria Stuart war für die Königin eine reale Gefahr und ihre Hinrichtung, die sie sich durch umstürzlerische Intrigen "redlich verdient" hatte, wäre ohne viel Aufheben geblieben, hätte Elisabeth ihre eigenen, sehr menschlichen Skrupel überwinden können. Dass und wie der Vollzug des Urteils stattfand ist echtes Weltbühnentheater. Schillers Drama, mit allen Facetten der Historie aufgeladen, ist fraglos ein großes Drama voller Aktualitäten, die man jedoch nicht einfach herausstellen kann, ohne dem Werk damit Gewalt anzutun.
Seine (kaum verwunderlichen) Probleme mit dem Text in der Premiere waren unüberhörbar. Alles in allem begegnete dem Betrachter keine einzige Figur, die auch nur ansatzweise menschliche oder gar liebenswerte Eigenschaften hatte. Es lässt sich nicht verschweigen, dass Frau Jelinek einmal mehr ihre psychische Zerrissenheit zu einem Weltentwurf stilisierte, die wegen ihrer Abgekehrtheit und ihres menschlichen Defätismus erschreckte und frustrierte. Dabei weiß man doch, worum es eigentlich geht, wie der wärmstens empfohlene Artikel von Willi Winkler "Es geht etwas um in Deutschland" im Heft 10/07 der Kammerspiele beweist. Das Bedauerlichste an dieser ganzen Arbeit war wohl die inszenatorische Leistung durch Jossi Wieler. Er bewies wieder einmal die Fähigkeit, Texte in spannende Szenen umzusetzen und Schauspieler zu Höchstleistungen zu animieren. Die darstellerische Leistung aller Beteiligter war exzellent. Allein, der Sinn der ganzen Unternehmung bleibt fragwürdig. Das konnte auch Regisseur Wieler zwar nicht abwenden, aber doch hinreichend kaschieren.