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In Simon Roussins toll illustriertem Buch hinterlässt »Der Bandit mit dem goldenen Colt« eine blutige Spur – und Melancholie. Ein wirklich ungewöhnliches Kinderbuch. Der Himmel ist ein Meer wogender Farben, das Mündungsfeuer blitzt in Rot, Gelb, Blau und Grün, während die Wild West Prärie wie buntes Feuer vibriert: Die Filme Tarantinos genauso im Kopf wie die Westernklassiker von Sergio Leone, erzählt der französische Comiczeichner Simon Roussin von zwei Waisenbrüdern, die in der Kindheit voneinander getrennt werden, der eine friedlich bei einem Trapper aufwächst, während der andere Bandit berühmt wird für seinen goldenen Colt und seine Skrupellosigkeit. So ungewöhnlich die Geschichte für Kinder ab 9 Jahren ist, erfrischend und packend, sind die eigentliche Sensation die Illustrationen selbst, die die Prärie wie Farbgewitter leuchten lassen und voller kunterbunter Energie stecken. Farbige Landschaften ziehen in die Geschichte hinein, alles ist mit Filzstift gemalt und mit feinen schwarzen Linien umrandet, weiße Wolken entstehen durch Aussparungen, Bären brüllen mit bedrohlich rotem Fell, der Schnee stürmt in schrägen Linien durch die Bilder oder fällt ganz leise in dicken Flocken.
Was wir bisher nicht wissen: Es gibt mehr Querbeziehungen zwischen den Figuren, als wir ahnen können, und diese enthüllen sich erst nach und nach – sowohl uns als auch den handelnden Figuren. Was diesen Dschungelabschnitt so besonders macht, ist seine Eigenschaft, dass jede*r seine oder ihre verstorbenen Liebsten wiedersehen kann: Das titelgebende Xibalba ist in der Vorstellungswelt der Maya das Reich des Todes. Simon Roussin hat in seiner Comic-Biografie schon eine ganze Reihe von Werken hervorgebracht, die ihm erhebliche Anerkennung beschert haben. Mit Lemon Jefferson et la grande aventure (2011) stand Roussin erstmals in der Auswahl zum Grand Prix de la Ville d'Angoulême, und Der Bandit mit dem Goldenen Colt (2013, dt. 2017), sein bislang einziger ins Deutsche übersetzter Comic, wurde von Andreas Platthaus hochgelobt. Seit 2016 arbeitet Roussin an einer Trilogie ( Les ailes brisées) über das französische Luftpostwesen. Der erste Teil, Prisonnier des Glaces (2016), ist dabei erst im Zuge der Arbeit an Xixalba entstanden, wie Roussin in einem Interview preisgibt.
Ein wunderbar uniques Buch, das alte Wildwestromantik heraufbeschwört, sie aber auch durchkreuzt, das tragisch endet und dabei viel Raum zum Nachdenken lässt. Simon Roussin; Der Bandit mit dem goldenen Colt, 64 Seiten, durchgehend farbig illustriert, empholenes Lesealter + 9 Jahre, 21 Euro, ISBN 978-3-946100-32-4 Das könnte Sie auch interessieren